GESCHICHTE DES SCHACHS


Die Weizekornlegende Modernes Schach
Ursprung des Spiels Weltmeisterschaften
Entwicklung einheitlicher Regeln Frauen und Schach
Schachdorf Ströbeck Computer-Schach
Verbreitung des Spiels


Die Weizenkornlegende

Aus alten arabischen Quellen stammt die Legende vom Weizenkorn. Danach habe der weise Brahame Sissa das Schachspiel für seine indischen König Sheram erfunden. Das Spiel sollte zeigen, dass in seinem Reich der König mit seinem Volk (Bauern und Figuren) eine Einheit bilden. Der König nahm das Spiel erfreut entgegen und bot dem Wesir an, dass er seine Belohnung selbst wählen möge. Der Wunsch des Brahmanen schien bescheiden: Auf das erste Feld des Schachbrettes ein Weizenkorn, auf das zweite zwei, auf das dritte vier, auf das vierte acht, usw. Also auf jedes Feld immer die doppelte Anzahl Körner des vorherigen Feldes. Der König war fast ungehalten über den so bescheiden erscheinenden Lohn, aber er ließ den Weisen gewähren. Als die Beamten und Ratgeber des Hofes nach vielen Stunden die Summe der Weizenkörner auf allen 64 Feldern errechnet hatten, musste sie erschreckt feststellen, dass soviel Weizen nicht aufzutreiben war. Die Summe der Weizenkörner lautete: 18.446.744.073.709.551.615 (18 Trillionen, 446 Billiarden, 744 Billionen, 73 Milliarden, 709 Millionen, 551 Tausend, 615). Ein Güterzug mit allen Körner, der mit 80 km/h, d. h. mit zwei Waggons pro Sekunde an uns vorbeiführe, jeder einzelne mit 20 Tonnen Weizen beladen, bräuchte dazu 730 Jahre!

Ursprung des Spiels

Das Schachspiel taucht gegen Ende des sechsten Jahrhunderts als Tschaturanga in der Sanskritliteratur auf. Es wurde erst vor relativ kurzer Zeit bei Ausgrabungen in Afrasiab bestätigt, dass beide Parteien Streitwagen, Elefanten, Reiter und Fußsoldaten zur Verfügung hatten, als dort sieben Schachfiguren zu Tage gefördert wurden. Über Asien bereitete sich das Spiel aus, bevor es vermutlich schon im späten achten Jahrhundert über Persien in den arabisch-isamlischen Raum gelangte. Auf den 64 Feldern standen sich als Schatrandsch, bzw. Shantranj die heute noch bekannten Figuren gegenüber: "shah" (sprich: Schaa oder Schach) (König), "fers" (Dame), "rukh" (Turm), "fil" (Läufer) und "faras" Springer. Allerdings zogen sie anders und auch das Matt (arab.: mat - tot) galt nicht als alleiniger Erfolg. Welchen Stellenwert das Spiel bei den mathematisch interessierten Arabern hatte, lässt sich daran ermessen, dass Spieler nach (Spiel-)Klassen eingestuft wurden. So war al-Adli 842 n. Chr. einziger "Spieler der höchsten Klasse", wie der englische Orientalist, Schachhistoriker und Mathematiklehrer Harold James Murray nachwies. Schon 200 Jahre später war das Schachspiel in Deutschland bekannt. In einem Ritterroman überbringt der Gesandte eines siegreichen Königs dem Unterlegenen König die Forderungen seines Herrn. Da der König sich eine Nacht der Überlegung ausbittet, vertreibt sich der Gesandte die Zeit, indem er mit den Hofleuten und später auch mit dem König Schach spielt, und niemand vermag ihn zu schlagen. Dieser Begebenheit soll eine wirkliche Geschichte zugrunde liegen. Der Gesandte hätte danach das Schachspiel von den Mauren (Arabern in Spanien) gelernt. Die Spielregeln entsprachen aber nicht den heutigen, besaßen jedoch schon eine gewisse Ähnlichkeit. Ebenso waren damals Abarten wie Mattkombinationen, Hilfsmattstellungen u.ä. bekannt.

Entwicklung einheitlicher Regeln

Erst im Laufe des 15. Jahrhunderts entwickelten sich verbindliche Schachregeln, die sich aber durchaus nicht sofort durchsetzten. Der Doppelzug des Bauern war auf die Randbauern und die Damen- und Königsbauern beschränkt; im "Schach der Ströbecker ... ist noch heute nur der Doppelschritt dieser drei Bauern erlaubt: 1.a2-a4, d2-d4, und h2-h4, worauf dann noch der Damenzug Dd1-d3 geschieht. Schwarz führt die entsprechenden Züge aus, und die Grundstellung ist erreicht, in der erst das eigentliche Spiel beginnen kann. Von da an gibt es keinen Doppelschritt der übrigen Bauern mehr, auch das Schlagen im Vorbeigehen entfällt."

"Schachdorf" Ströbeck

Im Bezirk Magdeburg (7½ km westlich von Halberstadt) liegt dieses Dorf mit dem Namen Ströbeck, in dem das Schachspiel seit dem Mittelalter gepflegt wird. Der Sage nach soll im Jahre 1011 Kaiser Heinrich II. den gefangenen Grafen Gunzelin dem Bischof Arnulf von Halberstadt zum Gewahrsam übergeben habe. Der im Turm gefangengehaltene Graf soll aus Langeweile seinen Wächtern das Schachspiel beigebracht haben. Seit 1823 wurde auf Beschluss der Gemeindeväter Schach als Unterrichtsfach in den Stundenplan aufgenommen. Überall stößt man im Schachdorf Ströbeck auf Zeugnisse des Spiels. Vor dem Gasthof "Zum Schachspiel" ist ein aus Quaderstein gefügtes Schachbrett in den Dorfplatz eingelassen. An vielen Häusern und Scheunen sieht man in den Außenputz zementierte Schachbretter oder kunstvoll gefertigte Eisenbretter. Es gibt auch einen "Schachturm". Im ledergebundenen Gästebuch der Gemeinde, dessen erste Eintragungen bereits 1886 vorgenommen wurden, befinden sich zahlreiche klangvolle Namen aus der Schachgeschichte und Gegenwart. Eine besondere Attraktion bildet das "lebende Schach", wobei Jugendliche des Ortes, gekleidet in Renaissancekostümen, Schaukämpfe in vielen Orten des Landes austragen.

Verbreitung des Spiels

Im 16. und 17. Jh. erlangte das Schachspiel in Südeuropa zur ersten großen Blüte. Die Regeln waren inzwischen vereinheitlich, die Dame war zur wichtigsten Figur geworden. Allerdings gab es bis ins 19. Jh. noch Varianten einzelner Regeln, so z.B. der Rochade.
Starke Spieler konnten im 17. Jh. als Berufsspieler ein Leben in Saus und Braus führen, sogar Spielervermittler verdienten an diesem ersten "Boom". 1616 erschien das erste deutsche Schachbuch: Das Schach oder Königsspiel von Gustav Selenus; hinter diesem Pseudonym verbarg sich Herzog August der Jüngere zu Braunschweig-Wolfenbüttel.

"Modernes" Schach

Das "moderne" Schach kann in dem bedeutensten französischen Schachspieler
François André Danilcan Philidor (1726-1795) einen seiner wichtigsten Protagonisten sehen. Umfassend gebildet, als Komponist, er schrieb 23 Opern, ebenso erfolgreich wie als Schachspieler, war er vermutlich der stärkste Spieler seiner Zeit. Zwar war Paris inzwischen auch eine Hochburg des Schach geworden; aber nachdem Philidor erneut einer Einladung nach London gefolgt war, wo 1770 im "Salopian Coffee House" in Charing Cross ein Chess Club gegründet worden war , pflegte er in den folgenden Jahren während der Saison (Februar bis Juni) als Berufsspieler des "London Chess Club" in der St. James Street aufzutreten, spielte gegen jeden, der bezahlte, gab nebenbei Musikstunden und fand zudem Zeit, einige Musikstücke zu komponieren (u.a. 1779 "Carmen Seculaire", die 1937 in Paris eine Wiederaufführung erlebte). Sein bereits 1749 in England erschienenes Strategiebuch "L'Analyse du jeu des Echecs" wurde erst über 100 Jahre nach seinem Erscheinen richtig gewürdigt und einige Partien tragen noch heute seinen Namen (Philidor-Gambit, Philidor-Verteidigung). Er verbreitete auch die These: "Die Bauern sind die Seele des Spiels", die auch tragende Bedeutung für das Positionsspiel besitzt. Als er häufiger Blindpartien spielte (gegen drei Gegner), sorgte sich der französische Philosoph Diderot in einem Brief (1782): "Ich wäre eher bereit, Ihnen diese gefährlichen Experimente nachzusehen, wenn Sie genug eingesetzt hätten, um fünf- oder sechshundert Guineen zu gewinnen. Aber Ihr Talent und Ihren Verstand für nichts und wieder nichts aufs Spiel zu setzen, ist einfach unvorstellbar... Nehmen Sie meinen Rat an, schreiben Sie weiter schöne Musik für uns, schreiben Sie diese noch viele Jahre lang und setzen Sie sich nicht fürderhin der Möglichkeit aus, zum Gespött zu werden, wozu so viele Menschen geboren sind." Aber weder die Musik noch das Schachspiel konnten ihm genügend Geld einbringen; als er während der Französischen Revolution auf die Liste der Emigranten kam, musste er - nahezu mittellos - in London ausharren. Seiner Familie gelang es zwar, den Namen wieder streichen zu lassen, aber es war zu spät. "Am vergangenen Montag [31.08.1795] machte Mr. Philidor, der gefeierte Schachspieler, seinen letzten Zug.", schrieb eine Londoner Zeitung.
Einhundert Jahre waren seit Philidors Meisterwerk vergangen und kaum ein Schachspieler hatte es gelesen oder gar verstanden. Aber immerhin war das Schachspiel gewissermaßen zum "Breitensport" geworden; fast in allen großen europäischen Städten gab es Schach-Klubs oder Schach-Cafes und auch die Berufsspieler waren zahlreicher geworden, wenngleich die wenigsten von ihnen vom Schach leben konnten. Das "europäische" Schach hatte inzwischen den "Großen Teich" übersprungen und in den jungen USA schnell seine Freunde gefunden. Im Jahre 1846 trat ein gewisser General Scott gegen einen kleinen, in sich gekehrten neunjährigen Knaben an, der schon die Schachamateure in seiner Geburtsstadt, New Orleans, reihenweise besiegt hatte. Über General Scotts plötzlichen Aufbruch nach mehreren Verlustpartien berichteten mehrere amerikanische Zeitungen . Sein kindlicher Gegner aber sollte als das Schachgenie des 19. Jahrhunderts in die Geschichte eingehen: Paul Morphy (1837-1884). Sein Angriffsstil wurde schnell bekannt, so dass ihn die großen Meister seiner Zeit (nahezu ausschließlich Europäer), aufforderten, seine Spielkunst gegen "wirkliche" Gegner unter Beweis zu stellen. Am 22.06.1858, seinem 21. Geburtstag, traf er in London ein. Als er am 11.05.1859 wieder amerikanischen Boden betraf, war er nunmehr weltberühmt: Mit dem Ungarn Löwenthal, dem Deutschen Harrwitz, dem Engländer Henry Edward Bird (1839-1908), nach ihm wurde die Bird-Eröffnung benannt, und dem damals stärksten europäischen Spieler, dem Deutschen Adolf Anderssen (1818-1879), hatte er die europäische Elite geschlagen; nur der Engländer Howard Staunton (1810-1874), der keine Gelegenheit ausgelassen hatte, über Morphy herzuziehen, hatte es geschickt vermieden, gegen ihn spielen zu müssen. Eine Morphy-Mania brach los. In New Orleans wurde er wie ein Held gefeiert. Aber urplötzlich schien er jede Lust am Schach verloren zu haben. Er studierte Jura, nannte sich Anwalt, ohne ernsthaft zu praktizieren, spielte noch einige Turniere und verabschiedete sich wortlos aus der Schachszene.

Weltmeisterschaften

Kurz vor seinem Tode (1884) traf er mit dem ersten, aus Österreich stammenden, Weltmeister ((
1866-1886) 1886-1894) Wilhelm Steinitz (1836 Prag - 1900 New York) zusammen, dem er ein Interview gab unter der Bedingung, dass nicht ein Wort über Schach gesprochen werde.
Steinitz hatte ein Jahr nach Morphys Triumph erstmalig an einem internationalen Turnier in London teilgenommen, wo er dann auch gleich als Berufsspieler blieb. 1866 focht er dann gegen Anderssen einen Wettkampf aus, den er knapp gewann, und zwar nach neuen Regeln. Die Zeit von zwei Stunden für 20 Züge wurde mit Sanduhren gemessen, Hängepartien waren nicht erlaubt nach acht Siegen sollte der Wettkampf beendet sein. Wenig später bezeichnete er sich als Weltmeister, obwohl er dies "offiziell" erst 1886 nach einem spannenden Wettkampf gegen den Polen Johannes Hermann Zukertort (1842 Lublin - 1888 London) wurde; dieser war allerdings schwer krank (er starb nach einem versuchten Revanchekampf, dem ihm sein Arzt verboten hatte, 1888 mit 46 Jahren). Steinitz hatte als einer der ersten Weltklassespieler Philidors strategische Studien gewürdigt; sein Name steht für zwei interessante Partien: die Steinitz-Verteidigung (als Antwort auf die Spanische Eröffnung) und das Steinitz-Gambit der Wiener Partie, in dem der weiße "König in der Mitte festgenagelt wird". Erst 1894 verlor Steinitz sein erstes Turnier nach 28 Jahren gegen den Deutschen Dr. Emanuel Lasker (24.12.1868 Berlinchen (heute Berlinek, Polen) - 13.01.1941 New York), der danach als zweiter Weltmeister den Titel 27 Jahre (1894-1921) lang innehaben sollte.
Mit Anderssen hatte eine Ära der deutschen und österreichischen Schachspieler begonnen, die dem internationalen Spiel nicht nur in Turnieren ihren Stempel aufdrücken sollten, sondern auch das Theoriefeld weitgehend dominierten. Allerdings tauchten immer wieder glänzende Sterne am Schachhimmel auf: 1900 gewann in Havanna ein gewisser José Raoul Capablanca y Graupera (1888-1942) die kubanische Meisterschaft, mit 12 Jahren. Von 1914 - 1924 verlor er nur eine Turnierpartie überhaupt und konnte Lasker 1921 den Titel abjagen und wurde somit dritter Weltmeister (1921-1927). 1927 löste ihn der Russe Alexander Alexandrowitsch Aljechin (31.10.1892 Moskau - 25.03.1946 Estoral (Portugal)), der somit vierte Weltmeister (1927-1935, 1937-1946) und mittlerweile auch französischer Staatsbürger, ab. Russland hatte kurz vor Ausbruch des 1. Weltkrieges in St. Petersburg das erste offizielle Großmeisterturnier veranstaltet. Capablanca, der auch einfach nur "die Schachmaschine" genannt wurde, Lasker, der Deutsche Dr. Siegbert Tarrasch (1862 Breslau - 1934 München), von ihm stammte der fundamentale Lehrsatz: "Die Türme gehören hinter die Freibauern, hinter die feindlichen, um sie aufzuhalten, hinter die eigenen, um ihr Vorgehen zu unterstützten", Aljechin und der US-Amerikaner Frank James Marshall (1877-1944) standen am Ende als die ersten fünf Schachgroßmeister fest. Erste Bemühungen, durch eine internationale Organisation das Schachspiel besser zu organisieren, wurden durch den Krieg vereitelt. Aber zehn Jahre später lud die französische Schachfederation aus Anlass der Olympischen Spiele zur ersten inoffiziellen Schacholympiade ein. Am 20.06.1924 gründeten die dort versammelten Spieler die FIDE (Fédération Internationale des Échecs) unter dem Wahlspruch "gens una sumus" (Wir sind eine Familie). In über 70 Jahren hatte sie nur fünf Präsidenten.
Was sich mit dem St. Petersburger Großmeisterturnier schon angekündigt hatte, bekam im Laufe des Jahrhunderts langsam Konturen: Immer mehr großartige Schachspieler kamen aus Russland bzw. seit 1917 aus der Sowjetunion. Neben dem "alten Kämpen" Aljechin, dem Ukrainer Jefim Dmitrijewitsch Bogoljubow (1889-1952) (seit 1927 deutscher Staatsbürger), also Spielern, die noch im 19. Jahrhundert zur Welt gekommen waren, tauchte mit Michail Moissejewitsch Botwinnik (geb. 17.08.1911 in Kuokala (heute Repino) bei Petersburg) ein wahrer Stern am Schachhimmel auf: Mit 16 Jahren Großmeister, mit 20 Jahren sowjetischer Meister, Sieger oder Platzierter auf den vorderen Rängen in großen Schachturnieren konnte nur der Weltkrieg seine Karriere kurz unterbrechen. 1948 wurde er, nur zwei Jahre nach Aljechins Tod, zum ersten Male Weltmeister (1948-1957, 1958-1960, 1961-1963) in einem Fünfer-Turnier mit 14 Punkten von 20 möglichen vor Wassili Wassijewitsch Smyslow (geb. 24.03.1921 in Moskau), der ihm 1957 die Weltmeisterkrone (1957-1958) entreißen konnte, nachdem ein erster WM-Kampf 1954 mit 12:12 äußerst knapp ausgegangen war. Aber nur ein Jahr darauf holte sich Botwinnik den Titel zurück, um ihn 1960 gegen Michael Nechemjewitsch Tal (geb. 09.11.1936 in Riga (Lettland)) zu verlieren, 1961 erneut zu gewinnen und ihn endgültig 1963 gegen Tigran Wartanowitsch Petrosjan (1929 Tiblissi - 1984) zu verlieren. Im Ausscheidungsturnier von Amsterdam (1956) waren von 10 Teilnehmern mit Smyslow, David Bronstein (hatte 1944 mit 20 Jahren gegen Botwinnik eine Partie gewonnen), Jefim Petrowitsch Geller (geb. 08.03.1925), Petrosjan (der Tiger, wie er in Anlehnung an seinen Vornamen Tigran und wegen seines angriffslustigen Stils genannt wurde: Weltmeister von 1963 bis 1969), Boris Wassiljewitsch Spasski (geb. 30.01.1937 in Leningrad (St. Petersburg), Weltmeister 1969 - 1972) fünf sowjetische Spieler; der Este Paul Keres (1916-1975) spielte ebenfalls für die SU, die ja die baltischen Staaten nach einem Vertrag mit dem faschistischen Deutschland 1939 als ihr Interessengebiet ansah und diese Länder während des zweiten Weltkrieges besetzt hatte.
Schach wurde schon seit den Anfangstagen der SU geschätzt. Auf dem III. Sowjetkongress der UdSSR hieß es 1925: "Schach ist eine mächtige Waffe der intellektuellen Kultur." Schachschulen wurden gegründet, Schach als Unterrichtsfach gefördert. Bis in die Gegenwart spielt die SU und - seit 1989/90 Russland noch immer eine wichtige Rolle im Weltschach, wenn auch viele Großmeister inzwischen im "Westen" leben, weil sie hier mehr verdienen können als im "armen Osten". Dass es so ist, verdanken diese Spieler (der vielseitige Spasski verdiente in seiner Zeit in Moskau seinen Lebensunterhalt angeblich als Schachtrainer mit etwa 160 Rubel im Monat (1965 etwa 500 DM)) einem Amerikaner, dem "Wunderkind" Robert James (Bobby) Fischer (geb. 1943 in Chicago)
Fischer spielte mit sieben Jahren in einer Simultanveranstaltung gegen den IM Pavey und hält sich 15 Minuten. Es folgt eine Serie von kleinen Turnieren, Simultanveranstaltungen, in denen Bobby nun der "Meister" ist, aber es gibt auch immer wieder kleine Rückschläge. Neben regionalen Titeln wird Fischer mit 13 Jahren erstmalig USA-Jugendmeister, dann 1958 mit 10½ aus 13 Partien US-Meister: Er ist gerade 14 Jahre alt. "Frisch und tüchtig. Wehe Moskau!", schrieb Dr. Euwe (1901-1981) (fünfter Weltmeister 1935-1937) zu der Partie Fischer-Bisguier, "aus solchem Holz werden Weltmeister geschnitzt." 1972 ist es dann soweit. In den Kandidatenturnieren und Ausscheidungswettkämpfen hatte Bobby alle Konkurrenten vom Brett gefegt. Nun stellte er vor Beginn des eigentlichen Turniers und sogar während des Turniers in Reykjavik Forderungen über Forderungen (allein zwei Seiten füllt der Katalog vom Automatik-Mercedes während des Wettkampfes bis zu einem überdachten Tennisplatz). Nahezu alle werden erfüllt und als Bobby Fischer am 01.09.1972 als Sieger feststeht, lässt er mehrere entnervte Schiedsrichter, Kommentatoren und Dr. Euwe zurück, hat aber in seinem Gepäck auch einen Scheck über mehr als 150.000 $. Eine solche Siegbörse hatte es bis zu diesem Zeitpunkt im Schach noch nicht gegeben. Eine WM-Verteidigung fand jedoch nicht statt, da Fischer sich weigerte, überhaupt irgendwelche Turniere zu spielen. Vergleiche mit Morphy wurden gezogen.
So entschied dann die FIDE, dass der Sieger des letzten Kandidatenturniers, Anatli Jewgenjwewitsch Karpow (geb. 23.05.1951 in Slatoust), 1975 kampflos den Titel erhalten sollte. Bis 1985 konnte Karpow den Titel gegen Viktor Kortschnoi und Garri Kimowitsch Kasparow (geb. 13.04.1963 in Baku), alle SU, verteidigen, ehe er gegen Kasparow verlor und den Titel des FIDE-Weltmeisters erst wieder 1993 zurückgewinnen konnte. In einer "privaten Weltmeisterschaft", in der von Kasparow selbst geründete Organisation, die er WCC nannte, später hieß sie PCA und schließlich BGN, konnte er seinen Titel bis 2000 halten, bevor ihn sich der Russe Wladimir Kramnik erkämpfte. 1999 kam ein neuer Weltmeisterschaftsmodus zum Tragen, in dem die Weltmeisterschaft im K.O.-Modus ausgetragen wurde, hierbei wurde der Titelverteidiger nicht mehr ins "Finale gesetzt". Karpow trat nicht mehr an und macht damit den Weg für den Russen Alexander Khalifman frei. Ein Jahr später sicherte sich der Inder Viswanathan Anand den Titel des FIDE-Weltmeisters.

Frauen und Schach

Es scheint, als sei Schach eine reine Männersportart. Dies ist jedoch nicht der Fall. Schon 1927 wurde die 21-jährige Vera Menchik (1906-1944), eine gebürtige Tschechin, erste Weltmeisterin der Frauen und blieb es bis 1944, als sie bei einem deutschen Fliegerangriff auf London ums Leben kam. Nach dem Kriege dominierten die Spielerinnen der SU das Wettkampfgeschehen. Eine "gemischte" Weltmeisterschaft gab es jedoch bisher nicht; erst 1979 erhielt Nona Gaprindaschwili (geb. 03.05.1941) (Armenien) als erste Frau den Großmeistertitel, der wie der "Internationale Meister" nur an Männer vergeben worden war; inzwischen haben etwa 70 Frauen diese Norm geschafft. Allerdings wird noch immer in Frauen- und Männernorm unterschieden. Von den drei besten Ungarinnen, den Schwestern Polgar, hat Zsuzsa (geb. 1969) mehrfach die IM-Norm für Männer errungen; alle weigerten sich bisher sogar, an "Frauenturnieren" (korrekt: Schachturnieren für Frauen) teilzunehmen. "Dass Frauen besser nicht Schach spielen sollten", wie Vlastimil Hort es einmal gesagt haben soll, ist aus seiner Sicht verständlich, musste er doch in einem internationalen Turnier gegen Zsuzsa die Segel streichen.
Die einschneidenste Veränderung, die das Schachspiel erfahren hat, dürfte die Erfindung des Computers sein. Nach der Berechnung des Schachschriftstellers Mason sind schon nach zehn Zügen über 169 Milliarden Billiarden Stellungen möglich, wie sinnvoll oder sinnlos sie auch sein mögen - ; "Dass hier die Berechnungsfähigkeit selbst eines Computers nicht ausreicht, ist klar. Hier setzt der Bereich der Intuition ein". Dies mag 1990 noch gegolten haben, aber selbst
Kasparow hält es für möglich, dass es eines Tages den fehlerfreien Computer für Schach geben wird (schließlich verdient er u. a. auch mit der Werbung für ein ganz bestimmtes Modell sein Geld), gegen den selbst er keine Chance hätte.

Computer-Schach

Man könnte sagen, dass die Anfänge des Computer-Schachs bereits in Napoleons Lebzeiten lagen. Napoleon Bonaparte (15.08.1769 Ajaccio, Korsika - 05.05.1812 St. Helena, Südatlantik) spielte gerne und viel Schach. Er war nur ein mäßiger Spieler, aber alle wussten, dass er ungern verlor. So kam es, dass er keine Partie gegen "menschliche" Gegner verlor.
1769 entwickelte Baron Wolfgang von Kempelen (23.01.1737 Bratislava - 26.03.1804 Alservorstadt, heute Wien) einen Schachautomaten (der "Türke"), den er 1770 am Hof der Kaiserin Maria Theresia (13.05.1717 Wien - 29.11.1780 Wien) präsentierte. 1809 spielte dieser Automat gegen den 1804 selbst gekrönten Kaiser Napoleon und gewann die Partie. Erst später wurde das Geheimnis dieser Maschine herausgefunden. Edgar Allen Poe (19.01.1809 Boston - 07.10.1849 Baltimore) veröffentlichte dazu einen Artikel. Er fand heraus, dass in dem Automaten ein Mensch eine mechanische Vorrichtung bediente, die den Figuren "Leben einhauchte". Es wird vermutet dass dieser Mensch Johann Baptist Allgaier (1763 - 1823) war.
Die richtige Entwicklung zu Schachcomputern fand erst in den 1940er Jahren statt, bevor 1977 der erste Schachcomputer auf den Markt kam, den sich jeder leisten konnte. Der "Chess Challenger" war noch sehr spielschwach und überprüfte auch nicht die Legalität der Züge seines Gegners. Erst mit den ersten Heimcomputern, wie z. B. der weit verbreitete C64, kamen Schachprogramme zu ihrem Einsatz. Dies entwickelte sich weiter vom 386er, mit Programmen wie z. B. Battle Chess, bis zu Hochleistungsrechner, wie z. B. Deep Blue, der
Kasparow 1997 mit 3,5:2,5 besiegte.
Heute ist für wenig Euro möglich sich ein Computerschach-Programm, wie z. B. Fritz, für den eigenen PC anzulegen, die Weltmeisterspielstärke haben.
Ken Thompson (geb. 1943 New Orleans, Louisiana, USA) machte es Eugene Nalimov (geb. 1965 Nowosibirsk, UdSSR, heute Russland) möglich für die spielstarken Programme eine wichtige Grundlage zu entwickeln. Tablebases heißt das moderne Zauberwort im Computerschach. Sie kennen heute schon alle Drei-, Vier-, Fünf- und sogar einen Teil der Sechs-Steiner-Endspiele, und geben ohne Rechenzeit an, ob die Stellung Remis ist oder in wie vielen Zügen eine Mattstellung vorliegt und spielte somit diese Endspiele mit 100%iger Perfektion. Das Schachprogramm greift auf diese "Tabellen" zu, sobald dies in irgendeiner Form in seinen Berechnung auftaucht.
Und auch wenn bald keiner mehr gegen Schachprogramme gewinnen kann oder sie sogar irgendwann mal perfekt das Spiel beherrschen, sollte man nie vergessen, dass Schach das Leben schöner macht.

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